1. Brasilien lockt
Bei allen bedeutenden neuzeitlichen Auswanderungswellen waren Pfälzer in großer Zahl beteiligt. So war es schon 1784, als es in Ungarn und Galizien günstige Ansiedlungsbedingungen gab, so war es in Russland oder auch später bei den großen Auswanderungswellen im 19.Jahrhundert nach Amerika. Es verwundert daher nicht, dass auch bei der Welle der Brasilienauswanderungen in den 1820-er Jahren neben vielen Familien aus dem Hunsrück auch eine beachtliche Zahl Pfälzer zu finden waren.
Nachdem sich Brasilien 1822 vom Mutterland Portugal getrennt hatte, brauchte der junge brasilianische Kaiser Don Pedro I. in dem riesigen Land Siedler, Handwerker für den Aufbau und Soldaten zur Verteidigung des Landes und zur inneren Sicherheit. Er wies seine Gesandtschaften in Europa an, Siedlungswilligen bestimmte, günstige Bedingungen anzubieten. Für Deutschland beauftragte er einen Major Anton von SCHAEFFER, der in brasilianischen Diensten gestanden hatte und für diese Organisationsaufgabe in sein Heimatland geschickt wurde.
Im Archiv der Kreisverwaltung Kusel befindet sich als informativer Beleg bei den Auswanderer-Akten ein schön gedrucktes Ansiedlungsangebot des Kaiserlich- Brasilianischen Konsulats in Bremen vom Januar 1828, das als Vertragsgrundlage für Auswanderungswillige folgende Vergünstigungen anbot:
400 bis 600 Morgen Land, teils als Wiesen, Acker oder Wald als freies Eigentum
Vieh: Pferde, Kühe, Ochsen, Schafe, Schweine, Hühner je nach Familiengröße
Unterhalt: im ersten Jahr einen Franken pro Kopf, im zweiten Jahr die Hälfte
Zehn Jahre Abgabenfreiheit, danach 10% des Ertrags.
Diese Bedingungen waren so verlockend, dass im auch Westrich viele Familien, Bauern und Handwerker, aber auch Alleinstehende hierin eine hervorragende Verbesserung ihrer Situation sahen und vereinzelt schon 1823, in Mengen ab 1826/27 Anträge zur Ausreisebewilligung über ihr jeweiliges Bürgermeisteramt und das Landkommissariat Kusel an die bayrische Regierung stellten.
Natürlich war die Kunde von gelungenen Auswanderungen, die seit 1824 vor allem von Hunsrückern in den Süden Brasiliens (Sao Leopoldo, Rio Grande do Sul) getätigt worden waren, inzwischen auch bis in die Westpfalz gekommen. Aus einem Drehorgellied der damaligen Zeit über Brasilien stammt die verheißungsvolle Vorstellung "Die Grumbiern wie ein Kopp so groß " (1).
2. Der legale Weg zur Auswanderung
Es war ein langer und teurer Behördenweg, den ein "Untertan" damals, als die Pfalz gerade bayerisch geworden war, zur Erlangung einer Auswanderungserlaubnis gehen musste. Die Bürgermeister hatten dem Landkommissariat zu berichten, wie es mit der sittlichen und religiösen Führung und den Schulden der Ausreisewilligen stand. Der königliche Steuereinnehmer musste bestätigen, dass Steuern und sonstige Allgemeine Abgaben richtig bezahlt worden waren. Vom Königlichen Friedensgericht in Wolfstein holte sich das Landkommissariat die Erkundigung ein, "ob die Bittsteller mit keiner Vormundschaft oder sonstigen Rechnungspflicht belastet" waren. Ihr Vermögen musste festgestellt werden, auch mit Hilfe von dazu verpflichteten "wahrhaften Männern aus dem Orte", die den Immobilienwert "abschätzten und eigenhändig unterschrieben". Natürlich mussten auch alle Unterschriften durch den Bürgermeister mit Stempel und Unterschrift amtlich bescheinigt und die "Stempelgebühren" bezahlt werden. Bei diesen obrigkeitlich gewollten bürokratischen Hindernissen hatten bis zum Herbst des Jahres 1827 nur wenige Auswanderungswillige grünes Licht seitens der Behörden bekommen. Aber die nächsten Abfahrten nach Brasilien standen bald bevor. Und man musste ja noch mühsam nach Bremen reisen oder nach Hamburg oder nach Amsterdam, wo die Segelschiffe abgingen. Anfang November 1827 wollten sich die verärgerten Kuseler "Rheinbayern" nicht mehr länger hinhalten lassen, obwohl sie bereits auf der "Liste der eingekommenen Auswanderungsgesuche nach Brasilien" eingetragen waren.
3. Der illegale Weg
Da entschloss sich eine ganze Reihe von Familien im Kuseler Land, einfach ohne Genehmigung auszuwandern. Sie verkauften ihre gesamte mobile Habe, Haus und Ackerland teils privat, teils bei öffentlichen Versteigerungen durch den Notar HAAS von Wolfstein und nutzten das erzielte Geld für die Reise und den Neustart. Eine Planung und genaue Absprache zwischen den 1827 auswandernden Kuseler Familien muss zuvor stattgefunden haben, denn, wie wir aus den Berichten verschiedener Bürgermeistereien wissen, haben in allen betroffenen Dörfern gleichzeitig ganze Familien und Familienverbände ihren Ort "in der Nacht vom 6. auf den 7. November 1827 heimlich verlassen", also ohne die eigentlich notwendige Auswanderungsbewilligung.
Bereits am 8.November machten dienstbeflissene Bürgermeister "die gehorsamste Anzeige" an "hochlöbliches königliches Landcommissariat, dass in verflossener Nacht nachbenannte Familien nach allem Vermuthen in der Absicht nach Brasilien heimlicherweise ausgewandert sind"... Sie mussten Verzeichnisse der heimlich Entwichenen anlegen und sie mit Kopfzahl und Vermögensschätzung melden. Im Landkommissariat liefen diese Meldungen zusammen. Allein aus dem Bezirk von Kusel, den Bürgermeistereien Quirnbach, Ulmet, Horschbach, Altenglan, Essweiler, Bosenbach und Neunkirchen wurden 196 in dieser Nacht verschwundene Personen durch das Landkommissariat festgestellt. Allerdings hatte der Schreiber übertrieben und Meldungen, wie z.B. "Familie Jakob WALTHER, 4 Seelen männlichen und 4 Seelen weiblichen Geschlechts" (also 8 Personen) umgewandelt in "Jakob WALTHER mit Frau und 7 Kindern" (also 9 Personen), so dass die Zahl der aus diesen Bürgermeistereien Verschwundenen um etwa 28 zu hoch berechnet und weitergemeldet wurde.
4. Ein toter Punkt und seine Überwindung
Aber wo waren die "nach allem Vermuthen" nach Brasilien ausgewanderten Kuseler geblieben? In Rio Grande do Sul, wo sich seit 1824 mehrere Tausend Deutsche ansiedelten, wo es heute noch deutschsprachige Nachkommen von Hunsrücker und Pfälzer Bauern gibt, wo es von Anfang an protestantische seelsorgerische Begleitung und damit Kirchenbucheinträge in den Ansiedlungsorten gab, war diese Gruppe bei Nachforschungen in den vergangenen Jahren nicht zu finden. In der alten Heimat wusste bald nach der Auswanderung auch niemand mehr, wo sie geblieben waren. In Notariatsakten, bei Erbteilungen findet man bisweilen später einen Hinweis auf die Auswanderung eines Erbberechtigten nach Brasilien, so z.B. bei der Rathsweilerer Familie GILCHER, deren Tochter Philippina HÄSEL in Ulmet zu der Gruppe vom 7.November gehört hatte, aber niemand von der Familie wusste eine Provinz oder einen Ort zu nennen. De facto existierte keine Verbindung mehr und bald auch kein Wissen mehr über den Verbleib.
Dieser tote Punkt wurde nun im Jahr 2004 durch das Internet überwunden. Eine brasilianische Familie aus Sao Paulo, die ihren Namen GUILGER schreibt und nicht wusste, wo ihre Wurzeln zu suchen seien, aber Interesse daran hatte, erfuhr bei einem Besuch auf dem Friedhof der längst untergegangenen deutschen "Kolonie" von Santo Amaro die Schreibweise GILGER und GILCHER für ihre Vorfahren. Mit diesen Varianten fand sie dann per Internetsuche über Google den Verfasser dieser Zeilen. Somit trafen sich hier zwei lose Enden einer von beiden Seiten gesuchten Verbindung.
Im Büro des Friedhofs Colônia in São Paulo war eine gedruckte Liste vorhanden mit den Namen von 30 Kolonisten-Familien, die am 28.Juni 1828 in Santos angekommen waren, insgesamt 174 Personen (2). Die Überraschung war groß, als diese Liste per Fax hier ankam: sie besteht zum allergrößten Teil aus genau denjenigen Pfälzern, die das Landkommissariat für den Bezirk Kusel als "heimlich ausgewandert" festgehalten hatte und deren Verbleib nicht bekannt gewesen war (siehe Liste im Anhang). Da waren sie also: ein Schiff voller illegal ausgewanderter Pfälzer aus dem Kuseler Land.
5. Wie waren die Westricher nach São Paulo gekommen ?
Ende 1827 waren die heimlich Entwichenen gemeinsam auf dem Weg nach Bremen, um sich dort vom Konsulat gegen 2 Gulden "Certifkationsgebühren" das Ansiedlungsangebot abstempeln und beglaubigen zu lassen. Ein wichtiger Schritt, denn nur abgestempelte und durch die Regierungs-Kanzlei der freien Hansestadt Bremen beglaubigte Ansiedlungsversprechen wurden in Brasilien als solche anerkannt und die Pfälzer ihrerseits pochten später auch mehrfach auf der Einhaltung dieser "Verträge", was den brasilianischen Behörden vor Ort gar nicht in vollem Umfang möglich war, wie sich noch herausstellen sollte.
Auswandererschiffe nach Brasilien segelten anfangs ab Hamburg und Bremen, später auch von Amsterdam. Die Pfälzer Gruppe vom 7.November jedenfalls begab sich von Bremen aus nach Amsterdam. Sie konnten jedoch nicht alle auf einem einzigen Schiff unterkommen, da auch noch viele andere Auswanderer Schlange standen, um nach Brasilien zu reisen. Die Westricher Gruppe musste sich trennen, teilweise trennten sich sogar Eltern von ihren minderjährigen Kindern und unternahmen die Reise auf zwei verschiedenen Schiffen, sicher in dem Vertrauen, etwa zur gleichen Zeit in Südamerika anzukommen. Die Hauptgruppe dieser Westricher kam im Juni 1828 in Rio de Janeiro an - mit dem holländischen Schiff "Alexandre". Dieser Schiffsname und weitere genaue Einwanderungsdaten stehen in einem "Titulo de Residencia" des Friedrich REIMBERGER (geboren am 23.6.1814 in Erdesbach als Friedrich RHEINBERGER), der 1852 genaue Angaben zu seiner Einreise und Herkunft bei der Polizei in Santo Amaro gemacht hatte, um eine Daueraufenthaltserlaubnis zu bekommen (3). Die Hauptgruppe der Pfälzer wurde am 20.Juni 1828 mit dem Schiff "Rocha" nach Santos weitertransportiert und dann nach São Paulo, wo vor ihnen schon 358 andere Deutsche angekommen waren (4).
6. Trennung von Familien und eine Katastrophe
31 Familienangehörige dieser Kuseler Gruppe hatten keinen Platz auf der "Alexandre" bekommen können und gingen zusammen mit etwa 270 anderen Auswanderern aus dem Hunsrück und anderen deutschen Gebieten an Bord der holländischen Fregatte Helena Maria unter Kapitän B. Karstens, die am 6. Januar vom Amsterdamer Hafen Texel ablegte (5). Sie ahnten nicht, dass eine Katastrophe bevorstehen sollte.
Als die Helena Maria zwischen 12 und ein Uhr in der Nacht zum 13.Januar 1828 gerade dabei war, den Ärmelkanal zu verlassen, um Kurs auf den offenen Atlantik zu nehmen, wurde aus dem schlechten Wetter plötzlich ein Orkan, wie man ihn seit langer Zeit nicht mehr erlebt hatte (6). Die Fregatte mit über 300 Menschen an Bord wurde für Stunden zum Spielball der tosenden Wellen und geriet in Seenot. Alle drei Masten brachen im Sturm, das Schiff schlug leck und trieb manövrierunfähig in Höhe des Lizard Point, etwa 20 Meilen vor Land's End in Cornwall. Die Auswanderer wären dem Untergang geweiht gewesen, wenn nicht das britische Postboot "Plover" unter Kapitän Edward JENNINGS die Helena Maria in Seenot entdeckt und in den Hafen von Falmouth geschleppt hätte (7). Der Hunsrücker Auswanderer Johannes SPINDLER aus Niederhosenbach hat einen eindrucksvollen Augenzeugenbericht dieses schlimmen Ereignisses, bei dem es auch Tote gab, in einem Brief an seine Verwandtschaft hinterlassen (8).
Die Pfälzer und Hunsrücker hatten ihre ganze Habe im Sturm verloren und fanden sich nun völlig mittellos im winterlichen England statt am Traumziel Südamerika. Es ist erstaunlich, wie das Städtchen Falmouth und die "Gesellschaft zur Unterstützung notleidender Fremder" ("Society for the Relief of Foreigners in Distress") es geschafft haben, so viele fremde Menschen aufzunehmen, unterzubringen und ein ganzes Jahr lang zu versorgen. Der Vizepräsident dieser Gesellschaft, Lord de DUNSTANVILLE, hatte großen Anteil daran (9). Das Schiff Helena Maria, so berichtet die London Times vom 23.10.1828, wurde zwar noch repariert, aber vom Seeamt (Lord High Admiral) für nicht seetüchtig erklärt. Damit war für die Auswanderer zunächst auch der teuer vorausbezahlte Reisepreis verloren. Erst Ende Oktober 1828 wurde durch die britische Regierung ein Weitertransport der Deutschen in Aussicht gestellt, finanziert und veranlasst (10). An Auslandsdeutsche in London und an Nachbargemeinden von Falmouth wurde der Appell gerichtet, den Schiffbrüchigen Spenden, warme Kleider für den Winter und Proviant zukommen zu lassen, damit die Voraussetzungen für eine Überfahrt nach Brasilien gegeben seien. Anfang Dezember 1828 lief dann aus London ein "sehr schönes Schiff" zu diesem Zweck in Falmouth ein (11). Mitte Dezember gingen die Auswanderer schließlich an Bord der James Laing. Aber erst am 2. Januar 1829, so berichtet die Royal Cornwall Gazette (12), waren endlich die Winde günstig für die Abreise nach Brasilien. Nachdem sie also fast ein ganzes Jahr mittellos in England festgesessen hatten, kamen die Auswanderer schließlich im Frühjahr 1829 doch noch an das Ziel ihrer Wünsche, Rio de Janeiro. Bereits am 17.März 1829 finden wir die Unterschriften von Peter BAUER und Johannes PFEIFFER, die bei der Nachzüglergruppe waren, in einem brasilianischen Dokument (13) und am 12.April 1829 waren Charlotte GILCHER aus Bosenbach und ihr Mann Johannes PFEIFFER die ersten Protestanten, die ihr in der Fremde geborenes Kind in der katholischen Kirche von Santo Amaro taufen ließen (14). Der aus Essweiler stammende Vater von Charlotte, Heinrich GILCHER war schon im Juni des Vorjahres angekommen.
7. Ansiedlung in Santo Amaro
Als die Passagiere des Unglücksschiffes Helena Maria schließlich verspätetet nach Brasilien segelten, waren für die geplante deutsche Kolonie im Staat São Paulo bereits alle Weichen gestellt, das Land, das man in der Nähe des 700-Seelen Dörfchens Santo Amaro nach vielem Hin und Her ausgewählt hatte, schon verteilt. Wer nicht im November 1828 bei der Anmeldung für ein Grundstück präsent war, konnte für dieses Ansiedlungsprojekt nicht mehr berücksichtigt werden. In São Paulo war man froh, wenigstens für diese eine Kolonie mit großen Schwierigkeiten einen Platz gefunden zu haben. Vor Ankunft der Deutschen war seitens der Provinzregierung überhaupt nichts vorbereitet gewesen und mehr Leute konnte man dort nicht ansiedeln. Lediglich die schon vorangemeldeten Familienangehörigen durften 1829 noch nach Santo Amaro nachkommen. Die anderen Familien der Kuseler Gruppe, die auch am 7. November 1827 heimlich abgereist waren, aber keine Familienangehörigen auf dem ersten Schiff hatten, wurden von Rio aus in den Süden Brasiliens weitergeleitet, wo schon seit 1824 Deutsche siedelten. Sie lassen sich zum Teil nachweisen in den Listen der fast 3000 deutschen Einwanderer, die der spätere Koloniedirektor Hillebrand für den Süden Brasiliens erstellt hat (15).
Die Pfälzer Gruppe unter den deutschen Einwanderern im Staat São Paulo meldete sich fast geschlossen für die deutsche Kolonie, die 4 Meilen vom Dorf Santo Amaro entfernt in herrenloser Wildnis errichtet werden sollte. Lange waren sie provisorisch in São Paulo einquartiert, im Militärhospital, dessen deutsch sprechender Arzt de Mello Franco Koloniedirektor geworden war. Später waren sie ebenfalls provisorisch in dem Indiodorf Itapecerica untergebracht, das zum Gebiet von Santo Amaro gehörte. Acht Deutsche kauften sich dort von ihrem eigenen Geld selbst Land, weil sie nicht länger warten wollten, und begannen, sich eine Existenz als Bauern aufzubauen, weitere 10 Familien waren des Wartens überdrüssig und kauften oder pachteten sich Land in der Umgebung. In Itapecerica gehörten folgende Familien zu den ersten Deutschen, die dort siedelten: Wilhelm HANNICKEL aus Neunkirchen, Heinrich FISCHER, der Schwager von Friederich HÄSEL aus Frohnbach, Jacob GRIMM (in Brasilien CREM geschrieben) aus Baumholder, Friedrich HELFENSTEIN. Weitere frühe Familien dort waren aus dem Hunsrück: Simon KLEIN aus Buch bei Simmern, Jacob ZILLIG und Söhne Peter und Jacob aus Ober-Kostenz, Sebastian WEISHAUPT aus Spesenroth, (16).
8. Eine Pfälzer "Rebellion" im Urwald

Schwierigkeiten vielfältiger Art warteten auf die deutschen Einwanderer. Das begann damit, dass die Provinz im Gegensatz zum Kaiser einer Fremdenkolonie gegenüber ablehnend, fast feindlich eingestellt war. Da absolut nichts vorbereitet war, wurde zunächst ein entferntes Wildnis-Gebiet im "Quilombo" für die Ansiedlung ausgesucht. Erst als die deutschen Männer eine Straße dahin gebaut hatten, stellte man fest, dass das Gelände ungeeignet war. Nach weiteren Fehlversuchen wurde eine herrenlose Wildnis bei Santo Amaro ins Auge gefasst und den Kolonisten gezeigt. 129 Familien akzeptierten dieses Land und unterschrieben im November 1828 ein entsprechendes Zuteilungsgesuch (17). Aus Geldmangel wurde dieser Plan von den Provinzbehörden Anfang 1829 verworfen und man beschloss, die Deutschen am Rio Bonito anzusiedeln. Dagegen protestierten vor allem die Pfälzer und verwiesen auf ihren Vertrag, der ihnen Felder und Wiesen versprach, nicht sumpfiges Urwaldgelände in einem Überschwemmungsgebiet. Ein dementsprechender Protestbrief vom 17.März 1829 an den Vizepräsidenten der Provinz wurde unterzeichnet von 26 Personen: Theofílo SCHMIDT, der das Gelände vermessen hatte (18), Frederico LANG, Philippe ANTONI, Jacobo KUNTZ, Pedro SCHUMACHER, João STOFFEL; Pedro BAUER, Henrique GILGER, Pedro HÄSSEL, Nickel MILER, Adão WEINBERGER (Übertragungsfehler, = RHEINBERGER!), Philippe SCHIOFER (Übertragungsfehler, = SCHÄFER!), Jacobo WALDER, Theobaldo ULRICH, Frederico HASSE (= HÄSEL), Elizabetha WALTER (Witwe von Max WALTER), Diderico GERES (= GEERS), Pedro SCHUCK, Luiz GADNER ( = Ludwig KETTLER!), Jacobo MATER (= MADER), João PFEIFER, Frederico FRANCK, Daniel SANSEL (= SAMSEL!), Philippe WEINREICH, Frederico THEOBALD und Jacobo REY, also fast ausschließlich Pfälzer aus dem Kuseler Land, die den Mund aufmachten und sich damit größte Schwierigkeiten einhandelten (19).
Zur Strafe wurden sie aus der Kolonie ausgeschlossen. Nach reumütiger Bitte wurden einige von ihnen drei Wochen später wieder aufgenommen: Theobald ULRICH, Heinrich GILCHER, Johannes STOFFEL und Peter BAUER. Aber rund die Hälfte der Unterzeichner musste gehen und findet sich nicht in der ersten Einwohnerliste von Santo Amaro von 1830. Theophil SCHMIDT, der den Urwaldboden als landwirtschaftlich wertlos erachtete, und darüber mit dem Koloniedirektor in Streit geriet, bot sich an, mit einer Delegation zum Kaiser nach Rio zu gehen, um die vertraglichen Rechte einzuklagen, was er dann auch tat, in Begleitung von Nicolaus BACKES (aus Hüffler) und Johannes PFEIFFER (aus Bosenbach), jedoch ohne erkennbaren Erfolg. Vom Koloniedirektor wurden diese Proteste und der Marsch einer Verhandlungsdelegation zu seinem Haus als "Revolte" angesehen und mit Unterstützung von Soldaten die "Ordnung wieder hergestellt". Den Deutschen teilte man definitiv mit, dass kein anderes Land für sie da sei und dass auch die finanzielle Unterstützung nur bis zum Ende des Jahres gezahlt werde. Zur Bestrafung der "rebellierenden, ungehorsamen" Kolonisten wurden einige mit dem Entzug des Unterstützungsgeldes bestraft: die als Rädelsführer angesehenen Friedrich FRANCK und Philipp WEINREICH, beide aus Friedelhausen, sowie Heinrich GILCHER aus Bosenbach, Philipp SCHÄFER aus Erdesbach, Theobald ULRICH aus Ulmet, Jacob REY aus Essweiler, Johannes STOFFEL, Nickel MÜLLER, Nickel KLEIN aus Neunkirchen und Jakob KUNTZ aus Essweiler (20). Diese auf ihre Vertragsrechte pochenden Pfälzer "Rebellen" sind dann auch sehr bald aus Santo Amaro verschwunden. Einige, wie z.B. Johannes PFEIFER, haben sich Arbeit gesucht auf der Eisenhütte von Ipanema, wo der deutsche Ingenieur VARNHAGEN ein bedeutendes Eisenwerk aufgebaut hatte, und zogen zuerst direkt an die Fabrik, später nach Sorocaba (21). Andere zogen nach Minas Gerais, Santa Catarina, Curitiba. Für die weniger rebellischen Kolonisten wurde schließlich noch aus dem Koloniebudget bebautes Land bei Santo Amaro von dem Friedensrichter Joaquim Manoel de Moraes aufgekauft und ab Juli 1829 begannen die ersten deutschen Familien, sich dort einzurichten. Das vertraglich versprochene Vieh war natürlich nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Die Siedler erhielten Geldzahlungen zum Ausgleich. Im Februar 1830 wurden in der deutschen Kolonie von Santo Amaro 62 Familien mit 229 Personen gezählt und in Itapecerica 30 deutsche Familien mit 163 Personen (22).
9. Religion und Sprache
Die deutschen Siedler waren in der Hauptsache protestantisch. Einen Pfarrer oder Lehrer hatten sie nicht. So konnten sie also keine Gottesdienste in ihrer Religion oder Sprache haben und keinen Schulunterricht für ihre Kinder. Am Anfang war es sogar zu Feindseligkeiten gekommen, weil die Katholiken es untersagten, einen Protestanten auf ihrem Friedhof zu begraben. In Ermangelung einer evangelischen Kirche wurden anfangs Heiraten vor dem Friedensrichter vorgenommen, aber sehr bald gingen auch die Protestanten in die katholische Kirche und schon ab März 1829 findet man Taufen der Pfälzer Protestanten im Kirchenbuch der katholischen Kirche von Santo Amaro. Allerdings muss die Verständigung ein großes Problem gewesen sein, denn der katholische Seelsorger hat die Namen der Deutschen, die ihm natürlich nicht geläufig waren, nur nach dem Gehör geschrieben und sie bis zur Unkenntlichkeit verballhornt. So findet man z.B. für die Familie des Johannes GILCHER folgende Schreibweisen : Gil, Guilhe, Guilher, Gillgir, Gilger, Gulcher, Kincher, Kincha, Kuinquer, Guilger , wobei sich letztere schließlich durchgesetzt hat. RHEINBERGER wurde zu Reimberger, Reimper, Remper, Rempar, und Reimberg. HELFENSTEIN schrieb der Padre als Helfsten, Helfstem, Elfestem, Olfingstén, Helfstein; HAESEL als Hesse, Esse, Eser, Essel, Hessel und ROCKENBACH als Rocumbac, Rocumback, Rocumbá, HEIN wurde zu Hên, Hem, KLEIN zu Clên, Clêm, Cleim, GOTTFRIED zu Gutfrid, Godfrit, Godfrits, schließlich Godtsfrits und Gottzfritz, WEINMANN zu Vaiman, Vaimar, BACKES mutierte dauerhaft zu Packs, BAUERMANN zu Paulman, und Palman, u.s.w.
Wie das Kirchenbuch von Santo Amaro ausweist, blieben die Pfälzer, bzw. auch die Deutschen allgemein in der Ansiedlergeneration und meist auch noch in der Generation der Ansiedlerkinder und -enkel bis ins 20. Jahrhundert hinein unter sich, heirateten unter sich, zum Teil auch innerhalb der Familie; es gab viele Vettern-Heiraten, so dass der Padre häufig bei der Diözese Dispens einholen musste. Als das deutsche Reich 1871 gegründet wurde, erinnerten sich viele ausgewanderte Deutsche an ihr Deutschtum und ließen sich und ihre Kinder in die Matrikel des Generalkonsulats in São Paulo als Deutsche eintragen. Eine Erneuerung des Eintrags spätestens alle 10 Jahre sicherte die deutsche Staatsbürgerschaft. In Brasilien hatten sie ohnehin den Status als "Estrangeiros", als Fremde, Ausländer. Erst die Generation der Enkel und Urenkel hatte sich in Sprache und Kultur soweit assimiliert, dass mehr deutsch-brasilianische Familien entstanden. Mit dem Ableben der zweiten, spätestens der dritten Generation verschwand die deutsche Sprache und Portugiesisch wurde zur Alltagssprache der Nachkommen.

Der Kolonie von Santo Amaro war kein langes Blühen beschieden. 1837 war Santo Amaro zwar der einzige Ort der Provinz, der Kartoffeln produzierte und galt als "Vorratskammer der Hauptstadt" (23). Aber bereits 1847 wurde die Provinzregierung darüber informiert, dass nur noch neun Familien in der Kolonie wohnten. Es waren also innerhalb von 20 Jahren 50 Familien von dort weggezogen. 1850 wurde eine Erhebung über die im Staat Sao Paulo existierenden Kolonien gemacht und aus Santo Amaro wurde gemeldet, dass dort eine deutsche Kolonie existiere, "4 Meilen vom Dorf entfernt, quasi aufgegeben", nur noch vier oder fünf Familien lebten dort. Vielleicht war sie doch zu weit abgelegen, die Deutschen zu sehr unter sich und isoliert, schulische und evangelische seelsorgerische Betreuung nicht vorhanden, die Bodenqualität für Landwirtschaft auf Dauer doch nicht so gut wie erhofft oder so schlecht wie die Pfälzer "Rebellen" befürchtet hatten. Jedenfalls sind viele Familien auf andere Landgüter gezogen oder haben sich von der abgelegenen Kolonie in das Zentrum von Santo Amaro gewandt (1822 : 760 Familien, 1839: 5400 Einwohner!) und in die Großstadt São Paulo. Diese hatte nur etwa 20.000 Einwohner, als die Deutschen kamen, ist heute aber eine Megalopolis, die natürlich auch das Dorf Santo Amaro geschluckt hat. Dieses sah vor der Eingemeindung einen Nachkommen der Westpfälzer GILCHER, José GUILGER SOBRINHO, Enkel des Einwanderer Johannes GILCHER von Essweiler auf dem Bürgermeistersessel. Diese Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen einzusetzen, hatten die Gilchers aus Deutschland mitgenommen. Auch als 1808 José Guilgers Großmutter Margarethe WEINMANN in der Bürgermeisterei Horschbach von ihrem Vater Jakob angemeldet wurde, war dort ein GILCHER, nämlich Hans GILCHER der amtierende Bürgermeister.
Die deutsche Kultur, so schreibt Edmundo Zenha 1950 pessimistisch, habe keinerlei Spuren hinterlassen (24). Allerdings, wenn man nach Spuren deutscher Einwanderer dort sucht, findet man noch welche: im Institut Martius Staden, das der deutsch-brasilianischen Geschichte und Kultur verpflichtet ist; in Familien mit deutschen Vorfahren wird so manches deutsche Schriftstück aus alter Zeit noch ehrfurchtsvoll aufbewahrt. Auch den alten Friedhof der Kolonie mit den großen eisernen Grabkreuzen der ersten deutschen Kolonisten gibt es noch und allenthalben trifft man in der Gegend um Santo Amaro auf deutsche Familiennamen, wenn auch bisweilen von ihrer ursprünglichen Form mehr oder weniger stark abweichend, die vorwiegend von 1827 bis 1829 durch Auswanderer, darunter eben auch viele Pfälzer, dorthin gekommen sind. In São Paulo, und zwar etwa dort, wo die pfälzischen Siedler ihre Kolonie und ihre Grundstücke hatten, gibt es heute noch einige nach deutschen Familien benannte Straßennamen, wie z.B. Avenida Pedro ROSCHEL GOTTZFRITZ, Praça Henrique SCHUNCK, Rua Benedito SCHUNCK, oder Avenida Paulo GUILGER REIMBERG (25), die letztlich alle auf die "heimlichen" pfälzischen Auswanderer aus dem Raum Kusel zurückzuführen sind.
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Anmerkungen:
Vgl. das gleichnamige Buch von Werle-Fauser, Hildegard: "Grumbiern wie ein Kopp so groß" , - die deutsche Einwanderung in den Staat São Paulo, São Paulo 1999. Dort ist der vollständige Text des Drehorgelliedes abgedruckt sowie eine sehr umfassende Darstellung deutscher Einwanderung in diesen Teil Brasiliens.
Die Liste entstammte der Schrift von Zenha, Edmundo: A Colônia Alemã de Santo Amaro, São Paulo 1950. Diese nur in Brasilien vorhandene Schrift wurde mir dankenswerterweise zur Verfügung gestellt vom Institut Martius-Staden, São Paulo . Weitere Quellen verdanke ich der deutschsprachigen Zeitung Brasil-Post und der Autorin Frau Hildegard Werle-Fauser in São Paulo.
Friedrich RHEINBERGER war mit seiner aus Erdesbach stammenden Mutter Maria Elisabeth DRUMM (geb. 30.5.1789) und deren zweitem Mann Philipp SCHÄFER eingereist. Sein Vater war Adam RHEINBERGER (Heirat mit Maria Elisabeth DRUMM 19.1.1809). Mit dabei: seine beiden Brüder Adam RHEINBERGER, geboren am 23.4.1809 und Peter RHEINBERGER, geboren am 31.3.1811.
Ein erster Transport war schon am 30.11.1827 von Rio nach Santos geleitet worden; darunter auch Hunsrücker und Pfälzer, wie z.B.: Jacob GRIMM aus Baumholder, Friedrich HELFENSTEIN, Sebastian WEISHAUPT aus Spesenroth, Jacob ZILLIG und Peter JACOBI aus Oberkostenz, Simon KLEIN aus Buch bei Simmern, Michael ROCKENBACH u.a. Die Herkunftsangaben entstammen der Matrikel des deutschen Konsulats von São Paulo, wo sich manche Auswanderer und Auswanderer-Nachkommen zwischen 1869 und 1937 eintragen ließen, um ihre deutsche Staatsangehörigkeit zu bewahren. Diese Matrikel liegen im Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin und sind eine hervorragende Quelle für Auswanderungs- und Herkunftsforschung.
Abfahrtsmeldung in der holländischen Zeitung Amsterdamsche Courant Nr.7 /1828: "Scheeps-Tijdning. Texel, den 6den Januarij. De wind O.Z.O. Uitgezeild: B.Kerstens, Helena Maria, naar Rio de Janeiro."
Ein ausführlicher Bericht über den Orkan, der von Dover bis Cornwall wütete, viele Schiffe auf Grund setzte und an Land Dächer und Kamine mitriss, findet sich in der holländischen Zeitung Amsterdam'sche Courant vom 24.1.1828; zur Verfügung gestellt von der "Koninklijke Bibliotheek", Den Haag.
Berichte darüber wurden in der britischen Zeitung "West Briton" vom 18.1.1828 und 1.2.1828 veröffentlicht, ein sehr interessanter Briefwechsel der beiden Kapitäne (Dank für die Rettung und ritterliche Ablehnung einer Geldzahlung dafür) am 8.2.1828. Im Bericht ist von 300 deutschen Emigranten die Rede.
Vgl. Werle-Fauser, a.a.O. S.31, dort zitiert nach Dr. Carlos Hunsche. Vgl auch Wettmann, Hartmut "Gefährliche Überfahrt" in Heimatkalender 1980 Landkreis Birkenfeld, S.194.
Dies wird sowohl im "West Briton" vom 1.2.1828 als auch in der "Royal Cornwall Gazette" vom 2.2.1828 hervorgehoben. Die Berichte verdanke ich Frau Vanessa Bourgignon von der "Cornish Studies Library - The Cornwall Centre" in Redruth.
nach einem Bericht der London TIMES vom 23.10.1828.
Es war wohl das Schiff James Laing unter Kapitän Sughure, dessen Ankunft aus London mit Ziel Rio am 6.12.1828 in der Royal Cornwall Gazette gemeldet wurde. Auf derselben Zeitungsseite liest man and anderer Stelle: "A very fine ship arrived at Falmouth on Wednesday last, for the purpose of taking out the German emigrants to the Brazils, who have been so long residing at that place".
Meldung der Royal Cornwall Gazette vom 3.1.1829. Die Zeitung West Briton vom 9.1.1829 meldet unter dem Datum 2.1. die Abreise von gleich drei Seglern an diesem Wochenende nach Brasilien: die erwähnte James Laing, die Oscar mit Kapitän Hinderwell und die Fifeshire mit Kapitän Wilson.
Zenha, Edmundo, A Colônia Alemã de Santo Amaro, São Paulo 1950, S.36
Kirchenbuch der katholischen Kirche: Curia de Santo Amaro, batismos 1829.
siehe Hunsche, Carlos: Die deutschen Einwanderer nach Südbrasilien 1824-1830 in: Genealogisches Jahrbuch Band 19, Teil 2, Neustadt/Aisch 1979, S. 665-684. Dort finden sich folgende am 7.11. heimlich entwichenen Westricher, die am 14.5.1829 in Südbrasilien ankamen:
GALLAS, Kilian aus Essweiler (6 Personen) u. Schwägerin Sara JUNKMANN, JUNG Karl aus Föckelberg (1 P.), ROBINSON Georg aus Ulmet (5 Personen), SANDER Adam aus Konken (6P.), SANDER Jakob aus Föckelberg (4 Personen).
Weitere Namen und Daten deutscher Einwanderer nach Südbrasilien sind durch das "Instituto Genealógico do Rio Grande do Sul" in Porto Alegre im Internet veröffentlicht unter der Adresse : ingers@terra.com.br
Vgl.Werle-Fauser a.a.O. S.43 und "Liste I" bei Zenha, a.a.O. S.139. Von der Präfektur Itapecerica wurden noch folgende frühe Familien genannt, allerdings ohne Herkunftsangabe, Pedro THEISEN, Miguel BAUERMANN, José ENGEL (Ingle/Hengles in brasilianischer Schreibung), Hermann und Christoph MOHR.
Liste vom 28.11.1828, "Liste F" bei Zenha, a.a.O. S.85
Theophil SCHMIDT sprach gut Portugiesisch, woraus Zenha den Schluss zieht, dass er zuvor einige Jahre in der Fremdenlegion in Rio gedient haben mag, bevor er als Geometer zu dem Kolonievorhaben stieß. In den Schiffslisten von 1827/28 taucht er dementsprechend auch nicht auf.
Vgl. Zenha, A Colônia , S.36
Vgl. Zenha, A Colônia , S.43
Johannes PFEIFFERs Sohn Daniel (geboren 1822 in Bosenbach), der wegen seines "rebellischen" Vaters nicht Bauer in Santo Amaro, sondern Blechschmied in Ipanema bei Sorocaba geworden war, besaß eine Daueraufenthaltsgenehmigung von Porto Feliz von 1853 und ließ 1874 seine 5 Söhne in die Konsulatsmatrikel von São Paulo eintragen. Die Geburtsorte der Söhne zeigen den Wanderweg: João PFEIFFER geb.23.4.1856 in Capella da Fabrica, José PFEIFFER 11.11.1859 und Pedro PFEIFFER 16.8.1864 in Campo Largo de Sorocaba, Antonio PFEIFFER 2.1.1867 und Joaquim PFEIFFER 16.10.1869 in dem Ort Sorocaba selbst.
Die Listen wurden von den Friedensrichtern Joaquim Manoel de Moraes und Fernando Antonio de Moraes für Santo Amaro und Itapecerica getrennt aufgestellt; abgedruckt bei Zenha, A Colônia, S.134ff. Dabei haben sich von der Erfassung der Namen bis zum Druck durch Hör- oder Lesefehler leider auch etliche ganz gravierende Namensentstellungen eingeschlichen.
Vgl. Zenha Edmundo, A Vila de Santo Amaro, São Paulo 1977, S.113.
Vgl. Zenha, A Col1onia, S.59
Diese Auswanderer waren: Christian GOTTFRIED aus Rammelsbach, Heinrich SCHUNCK aus Ulmet, Johannes GILCHER aus Essweiler und die Gebrüder RHEINBERGER aus Erdesbach. Die Familie ROSCHEL ist erst 1857 nach Santo Amaro gekommen.
Auszug aus der "Liste derjenigen 174 deutschen Siedler, die am 20.6.1828 in Rio de Janeiro ihre Reise fortsetzten und auf der 'Rocha' eingeschifft wurden zur Fahrt nach Santos. Erstellt im Auftrag des "Inspektors für die Ansiedlung von Fremden" durch Johann Heinrich KAGEL, Dolmetscher."
Diese Schiffsliste (Liste "D" bei Zenha, A Colônia) habe ich erweitert um die Herkunftsorte, soweit sie aus den Kuseler Archivunterlagen, den Konsulatsmatrikeln oder aus anderen Quellen zu ermitteln waren, sowie um Geburtsjahr oder -datum und Kinderzahl der Familienoberhäupter und der Ehefrauen. Die Original-Liste enthält auch die Namen und das Alter der Kinder, die hier aus Platzgründen weggelassen sind. 31 Angehörige waren nach dem Schiffbruch der Helena Maria am 20.6.1828 noch in Falmouth/England und kamen erst 1829 nach. Diese sind in der Liste vermerkt mit dem Hinweis "auf Helena Maria".
Eine Mehrheit der Pfälzer Auswanderer war protestantisch, nur 8 Familien waren katholisch. Dies ist jeweils vermerkt; ebenso, wenn die Ehefrau eine andere Religion hatte als der Mann.
NAME |
Vorname |
Alter 1828 |
Religion, falls katholisch Berufe, Kinder, etc. |
recherchierter Herkunftsort |
errechnetes Geb.-Jahr Geb.Datum |
ANTHONI |
Philipp |
52 |
kathol., Ackerer |
Bosenbach |
1776 |
ANTHONI geb. DICK |
Maria Magd. |
52 |
protestantisch, 8 Kinder |
Bosenbach |
1776 |
BACKES |
Nicolaus |
35 |
Bergmann, Ackerer |
Hüffler |
1793 |
BACKES geb. WEBER |
Catharina |
36 |
6 Kinder |
Hüffler |
1792 |
(BAUER |
Peter) |
|
auf „Helena Maria“ |
siehe unten |
|
BAUER |
Margarethe |
44 |
4 Kinder |
Bedesbach |
1784 |
BRAUNING |
Carolina |
20 |
Weinreichs Nichte |
Friedelhausen |
1801 |
FISCHER |
Heinrich |
23 |
Schwager v.Haesel |
Frohnbach ? |
1805 |
FRANCK |
Friedrich |
43 |
Ackerer |
Friedelhausen |
1785 |
FRANCK geb. DICK |
Catharina |
37 |
5 Kinder |
Friedelhausen |
1791 |
GILCHER |
Heinrich |
52 |
Küfer, 3 Kinder |
Bosenbach |
29.3.1775 |
GILCHER geb.KILIAN |
Margaretha |
54 |
Tochter auf Helena M. |
Bosenbach |
1774 |
GILCHER |
Johannes |
23 |
Ex-Soldat, Schuster, Knecht bei Fam. Walter |
Essweiler |
28.6.1805 |
GLASER |
Nicolaus |
41 |
Ackerer |
Ulmet |
1787 |
GLASER |
Juliana |
45 |
5 Kinder |
Ulmet |
1783 |
GOTTFRIED |
Christian |
32 |
Ackerer |
Rammelsbach |
1796 |
GOTTFRIED geb. RÜBEL |
Catharina |
32 |
4 Kinder |
Rammelsbach |
1796 |
GROSKLOS |
Jacob |
24 |
Kath., Zimmermann |
ledig, Kusel |
1804 |
HAESEL |
Peter |
13 |
Eltern (Peter Häsel sr.) u. 2 Kinder auf Helena Maria |
Ulmet |
2.1.1815 |
HAESEL |
Catharina |
19 |
Schwester v. Peter |
Ulmet |
24.5.1809 |
HAESEL |
Friedrich |
54 |
Ackerer, Witwer, 5 Angehörige auf Helena Maria |
Frohnbach |
1774 |
HAESEL |
Friedrich |
23 |
Sohn, verheiratet |
Frohnbach |
25.11.1805 |
HAESEL |
Jacob |
18 |
Sohn, Junggeselle |
Frohnbach |
1810 |
HANNICKEL |
Wilhelm |
41 |
katholisch, Ackerer |
Neunkirchen |
1787 |
HANNICKEL geb. ANTHONI |
Margarethe |
41 |
katholisch, 5 Kinder |
Neunkirchen |
1787 |
KAPPEL |
Adam |
25 |
Zimmermann, ledig |
Kusel |
29.2.1803 |
KLEIN |
Adam |
45 |
Ackerer , Schneider |
Altenglan |
1783 |
KLEIN geb. GÖTTEL |
Elisabeth |
37 |
4 Kinder |
Altenglan |
1791 |
KLEIN |
Nicolaus |
48 |
Zimmermann |
Neunkirchen |
1780 |
KLEIN geb. BECKER |
Catharina |
45 |
6 Kinder |
Neunkirchen |
1783 |
KUNTZ |
Georg Jak. |
37 |
katholisch, Ackerer |
Essweiler |
1791 |
KUNTZ geb. SCHRECK |
Elisabeth |
33 |
katholisch, 3 Kinder |
Essweiler |
1795 |
LANGE |
Friedrich |
33 |
Schneider |
? |
1795 |
LANGE |
Margaretha |
26 |
1 Tochter |
? |
1802 |
MADER |
Jacob |
33 |
Schuhmacher |
Friedelhausen |
1795 |
MADER geb. SIMON |
Catharina |
35 |
3 Kinder |
Friedelhausen |
1793 |
MÜLLER |
Nicolaus |
51 |
katholisch, Wagner |
? |
1777 |
MÜLLER |
Maria |
39 |
katholisch, 4 Kinder |
? |
1789 |
PAPST |
Adam |
26 |
Ackerer |
Ulmet |
1802 |
PAPST geb. SCHUNCK |
Elisabeth |
25 |
Tocht. v. H.Schunck |
Ulmet |
1803 |
REY |
Jacob |
24 |
Kath. (Stiefsohn El.Walter) |
Bosenbach |
1804 |
SAMSEL |
Daniel |
46 |
Schneider, |
Essweiler |
1782 |
(SAMSEL geb. KILIAN |
Charlotte) |
50 |
auf Hel.M gestorben |
Essweiler |
1777 |
(Wwe. BEBER geb. KILIAN |
Philippine) |
39 |
- auf Helena M. - |
s.unten |
1789 |
SCHÄFER |
Philipp |
54 |
Ackerer |
Erdesbach |
1774 |
SCHÄFER geb. DRUMM, Wwe Adam RHEIN-BERGER |
M.Elisab. |
38 |
Aus 1.Ehe 3 Söhne RHEINBERGER |
Erdesbach |
30.5.1789 |
SCHRECK |
Philippina |
25 |
katholisch, ledig |
Essweiler |
1803 |
SCHUCK |
Peter |
27 |
kath. Zimmermann |
Offenbach Gl |
31.1.1799 |
SCHUCK geb. SCHWARZ |
Catharina |
25 |
3 K (1 neugeboren) |
Offenbach Gl |
1803 |
SCHU-MACHER |
Peter |
36 |
Schneider |
Neunkirchen |
20.11.1791 |
SCHU-MACHER |
Friederike |
38 |
4 Kinder |
Neunkirchen |
1790 |
SCHUNCK |
Heinrich |
52 |
kathol. Ackerer |
Ulmet |
1776 |
(SCHUNCK geb. SCHORG |
Catharina) |
49 |
auf Hel. M. mit 4K |
siehe unten |
|
SCHUNCK |
Heinrich |
18 |
katholisch, Sohn |
Ulmet |
3.5.1810 |
SCHWENCK |
Johannes |
42 |
Ackerer |
Elbach/Rhein |
1786 |
SCHWENCK |
Maria |
40 |
4 Kinder |
Elbach/Rhein |
1786 |
STOFFEL |
Johannes |
36 |
katholisch, Ackerer |
? |
1792 |
STOFFEL |
Christina |
25 |
protest., 3 Kinder |
? |
1803 |
THEISSEN |
Juliana |
46 |
Witwe |
? |
1782 |
THEOBALD |
Friedrich |
37 |
Ackerer |
Ulmet |
4.3.1789 |
THEOBALD geb. BRAUN |
Catharina |
36 |
u. 4 Personen |
Ulmet |
1792 |
ULRICH |
Theobald |
37 |
Ackerer, Hafner |
Ulmet |
1791 |
ULRICH geb. RUTH |
Elisabeth |
37 |
4 Söhne |
Ulmet |
1791 |
WALTER |
Jacob |
46 |
Schmied u Ackerer |
Essweiler |
1782 |
WALTER geb. SCHUCK |
A. Maria |
44 |
6 Kinder |
Essweiler |
1784 |
(WALTER) |
(Max) |
(51) |
(Glaser, Tod 1828 ) |
(Bosenbach) |
1777 |
WALTER |
Elisabeth |
47 |
Witwe v.Max, 5 K |
Bosenbach |
1781 |
WEINMANN |
Jakob |
53 |
Kalkbrenner, Ack. |
Elzweiler |
25.6.1775 |
WEINMANN geb. BAUM |
Eva Elisab. |
43 |
5 K (1 neugeboren) |
Elzweiler |
9.6.1784 |
WEINREICH |
Philipp |
36 |
kathol. Ackerer |
Friedelhausen |
1792 |
WEINREICH g HANNICKEL |
Magdalena |
36 |
katholisch, 5 Kinder |
Friedelhausen |
1792 |
Alleinstehende Einwanderer dieser Gruppe, die nicht aus der Pfalz kamen: |
|||||
GEERS |
H.Dietrich |
29 |
Schmied, ledig, |
Groß-Sottrum/ Hannover |
1799 |
MAINHOLZ |
Johannes |
43 |
Seemann, Witwer |
? |
1785 |
ANDRESSEN |
Sebastian |
32 |
Seemann, ledig |
? |
1796 |
KETTLER |
Ludwig |
35 |
Seemann, ledig |
? |
1793 |
FLUER |
Johannes |
34 |
kath.Wundarzt, ledig |
? |
1794 |
Folgende 31 Familienangehörige waren auf der Helena Maria eingeschifft gewesen und am 20.Juni 1828 noch nicht in Rio angekommen: |
|||||
PFEIFFER |
Johannes |
38 |
Leineweber |
Bosenbach |
1790 |
PFEIFFER geb.GILCHER |
Charlotte |
30 |
u.3 Kinder (Vater Heinr.G. s. oben) |
Bosenbach |
1.3.1798 |
HÄSEL |
Peter |
47 |
Ackerer |
Ulmet |
28.1.1781 |
HÄSEL geb. GILCHER |
Philippina |
42 |
u.2 Kinder |
Rathsweiler |
29.2.1784 |
THEOBALD Familie |
insgesamt 4 Angehörige auf Helena Maria |
Ulmet |
|
||
BAUER |
Peter |
46 ? |
Ackerer |
Bedesbach |
1782 ? |
SAMSEL, Wwe. BEBER geb. KILIAN |
Philippine |
39 |
u. 5 Kinder |
Elzweiler |
1789 |
SAMSEL, geb. KILIAN |
Charlotte |
50 |
unterwegs gestorben |
Essweiler |
1777 |
SCHUNCK geb. SCHORG |
Catharina |
49 |
(prot.) u. 4 Kinder |
Ulmet |
1779 |
HÄSEL/ FISCHER |
insgesamt 5 Angehörige auf Helena Maria |
Frohnbach |
|
Auf der Reise verstarben:
1.) Max WALTER aus Bosenbach, 51 Jahre alt, auf Schiff Alexander.
2.) Maria Charlotte SAMSEL geb. KILIAN aus Essweiler, 50, auf Schiff Helena Maria.
Sie ist am 7.11.1827 mit ihrem Mann Daniel SAMSEL aus Essweiler abgereist, fuhr getrennt von ihm auf der Helena Maria mit ihrer Schwester, Philippina KILIAN, Witwe von Simon Peter BÖBER aus Elzweiler und deren 5 Kindern. Daniel SAMSEL kam allein in Rio an und wusste bei der Ankunft noch nichts vom Tod seiner Frau. Er lebte seit 1829 mit seiner Schwägerin und deren Kindern zusammen in Santo Amaro.
3.) Die Ehefrau von HÄSEL Friedrich, 54, aus Frohnbach. Er reiste mit seiner Frau 1827 aus Frohnbach ab, wurde bei Ankunft 1828 als Witwer registriert, wusste also bereits vom Tod seiner Frau.
4.) Die beiden jüngsten Kinder von Georg Jacob KUNZ aus Essweiler, Catharina, 3 Jahre, und Elisabetha, 1 Jahr, sind mit den Eltern abgereist und unterwegs verstorben.
"Familienbild":
PFÄLZER AUSWANDERERFAMILIE IN BRASILIEN

Das Bild aus dem Jahr 1913 zeigt die Familie des Hans GILGER (23.3.1838 -15.10.1928), Sohn der Auswanderer Hans GILCHER aus Essweiler und Margarethe WEINMANN aus Elzweiler, mit seiner Frau Maria Elisabeth ROCKENBACH (17.7.1854 - 29.4.1949), eine Tochter von Michael ROCKENBACH und Maria GOTTFRIED in der Mitte sitzend. Rechts daneben der Sohn Joao GUILGER filho (*1882), links daneben Tochter Carolina (1891). Stehend von rechts: der älteste Sohn Miguel GUILGER SOBRINHO (*1878), mit dem Beinamen "Sobrinho = Neffe", um ihn von dem gleichnamigen Onkel Miguel GUILGER zu unterscheiden. Links daneben Maria (*1879) später verheiratet mit Jacob PAES, dann Antonio (*1894) , dann José GUILGER ROCUMBACK (*1889), der auch den Namen seiner Mutter (ROCKENBACH in der brasilianischen Variante) führte und der später mit Maria GUILGER, Tochter von Onkel Miguel GUILGER und Tante Elisabeth ROCKENBACH verheiratet war. Links daneben Catharina (1886), dann Pedro GUILGER PRIMO (*1885) mit seinem 1913 geborenen Kind Maria und seiner ersten Frau Carolina REIMBERGER (*1888), Tochter von Adam REIMBERGER und Carolina ZILLIG. Carolina REIMBERGER starb wenige Monate nach der Aufnahme dieses Familienbildes und Pedro heiratete in zweiter Ehe Catharina ZILLIG aus der Familie seiner Schwiegermutter.Zum Zeitpunkt der Aufnahme waren außer Pedro alle erwachsenen Kinder noch ledig und arbeiteten mit auf dem Sítio der Familie GUILGER.